16.-18.10.2015
Freitags um 4 Uhr morgens klingelte der Wecker und um 5 standen wir vor dem ersten Paddock. Die Pferde schliefen noch und da es kein Licht gibt, mussten wir sie in den großen Paddocks mit der Taschenlampe suchen. Alle 9 Vierbeiner wurden nacheinander von uns „eingesammelt“ und zum Anbindeplatz gebracht. Morgens kommen alle Decken runter, die Halfter werden gegen pinke Knotenhalfter ausgetauscht und dann werden alle Sportler in den großen LKW verladen. Dort gehen sie von allein rein. Es ging gerade schon langsam die Sonne auf, als wir die Farm verließen. Aylin blieb da um sich um die restlichen Pferde zu kümmern. Wir hatten ein Pony von Kunden dabei und dessen Sattelzeug war in deren Anhänger. So musste ich diesen mit dem Ute (Auto) ins 1 Stunden entfernte Richmond ziehen. Das war schon das erste Hindernis. Ich bin seit Ewigkeiten kein Schaltauto gefahren, dann muss man noch mit der linken Hand schalten und der Hänger ist so groß, dass man in Deutschland dafür bestimmt einen Lastwagen-Führerschein bräuchte. In Australien muss man keinen Hängerführerschein machen. Die Straßen sind sehr schmal und kurvig und obwohl mein Chef gesagt hat er fährt langsam (er fuhr ja den großen LKW) war er ziemlich zügig unterwegs. Ich fand nie den dummen 3. und 4. Gang und man musste in den Serpentinen total oft schalten. Das Auto muss man außerdem sehr hoch drehen lassen, dass er den schweren Hänger ziehen kann. Wenigstens war eine PINK!-CD drin und da ich totaler PINK!-Fan bin, konnte ich jedes Lied lauthals mitgrölen und meine Laune wurde aufgehellt.
An einer Ampel dachte ich Andrew vor mir bleibt stehen und obwohl er noch locker bremsen hätte können, fuhr er bei dunkelrot drüber. Ich machte das natürlich nicht nach, zumal auch schon aus der Gegenrichtung Autos kamen. Als ich grün hatte, war von Andrew nichts mehr zu sehen. Es gab viele Stellen an denen er problemlos warten hätte können, aber er tat es nicht. Ich hielt an einer Tankstelle und rief meine Chefin Jenny an. Diese war mit einem anderen Anhänger mit 2 Pferden später los gefahren. Sie sagte mir wo sie vorbei fährt und ein paar Minuten später reihte ich mich hinter ihr ein. Kurz vor dem Turnier verfuhr sich Jenny und wir landeten mitten im Wald. Die Straße war so schmal, dass gerade so der ein Hänger drauf passte. Irgendwann fanden wir zum Glück den Turnierplatz.
Obwohl es noch früh morgens war, herrschte auf dem Parkplatz der Show schon reger Trubel. Einige sind von weit her angereist und waren schon über Nacht da. Wir fanden einen geschickten großen Parkplatz für uns alle und luden die Pferde aus.
Erst wurden alle Vierbeiner an Strohschnüren am LKW festgebunden, dann gabs Wasser, Heu und Futter für alle. Wie beim letzten Mal auch schon, waren die Sportler alle sehr entspannt und ich glaube für die ist das Turnier was schönes. Es herrschten schon morgens schweißtreibende Temperaturen und das Wasser schleppen fiel mir sehr schwer. Den Pferden hängte ich ab und zu nasse Handtücher in den Nacken um sie ein wenig abzukühlen.
Den ganzen Tag sattelte ich Pferde, sattelte sie ab, duschte sie und shampoonierte sie ein. Es war unerträglich heiß (38 Grad) und mir taten die Pferde leid. Zwar suchten wir Schattenplätze für sie und jedes hatte seinen eigenen Trinkeimer den ich immer gefüllt hielt, aber nach jedem Start kamen sie klatschnass zurück. Auch ich war fix und fertig, hatte Kopfweh und es war krass den ganzen Tag in der brütenden Sonne zu stehen und 100% zu geben. Zeit fürs Klo blieb auch nicht und so musste ich schnell hinter den LKW. Irgendwann war meine 1,5 Liter Flasche Wasser leer und es sorgte auch niemand dafür, dass ich Wasser bekam. Ich entdeckte zufällig einen Kühlschrank im LKW der bis oben hin mit kalten Wasserflaschen gefüllt war. Natürlich „klaute“ ich mir da heimlich Wasser. Die Verkaufsstände waren zu weit weg und ich hätte auch keine Zeit gefunden dort hin zu gehen. Hunger hatte ich auch und zum Glück hatte eine sehr nette Pferdebesitzerin deren Pferd bei uns im Stall steht Mitleid mit mir. Sie freut sich immer, dass ich mich so toll um ihr Pferd kümmere, ist auch Vegetarierin und kaufte mir deswegen einen sehr leckeren Reissalat. Diesen konnte ich aber nicht essen, weil einfach keine Zeit blieb. Wenn Jenny vom Reiten zurück kam, fiel ihr immer wieder was Neues ein, sodass ich nicht mal eine Minute zum Durchatmen hatte. Eine andere total nette Frau die ihr Pferd bei Andrew in Beritt hat, kaufte mir ein Waldbeereis. Das fand ich total nett von den beiden und freute mich richtig, dass ich ihnen so viel Wert bin. Das sind die Dinge die einen Tag schön machen können.
Trotz eincremen und Käppi auf dem Kopf bekam ich einen Sonnenbrand und immer mehr Kopfweh. Meine Chefs ritten jeweils 3 Pferde und die anderen Pferde sattelte ich für die Einsteller. Als der Tag schon fast vorbei war, holte Andrew einen Schlauch aus dem Kofferraum und machte ihn am Wasserhahn am LKW fest. Mit diesem sollte ich die restlichen Pferde abspritzen. Meine Chefin verbot mir ausdrücklich das Wasser der Pferde damit nachzufüllen, weil sonst die LKW-Batterie leer gehen würde. Da kam ich mir echt verarscht vor. Den ganzen Tag schleppte ich die schweren Wassereimer über den großen Parkplatz, für dass das ich das viel einfacher haben könnte. Die Pferde kann man viel besser am Abspritzplatz abduschen, dachte ich mir. Von dort an füllte ich alle Wassereimer mit dem Schlauch vom LKW wenn es keiner sah. Manchmal komme ich mir vor, als würde sie so etwas extra machen, dass ich immer etwas zu tun habe. Eigentlich gabs keinen Grund, aber sie scheuchte mich den ganzen Tag im Kreis rum. Sie kann es nicht sehen, wenn man eine kurze Pause hat. Mein Reissalat war schon warm, als ich ihn zwischendurch aß. Alle Pferde werden zum Transport an allen vier Beinen einbandagiert und so musste ich 38 Bandagen und 38 Bandagierunterlagen aufwickeln. Am Ende vom Tag muss ich auch alle Schweife einsprühen und einflechten.
Den ganzen Tag arbeitete ich hart und musste schnell sein um das jeweilige nächste Pferd fertig zu haben. Dann bekommen noch manche Pferde Ohrenstöpsel gegen den Lärm rein und viele lassen es sich nicht machen. So muss ich sie mit der Nasenbremse ablenken und mit einer Hand die Stöpsel rein machen. Das erfordert viel Geschick, die Pferde sind sehr groß und ich bin auch nicht die größte Person.
Zum Glück konnten wir den Anhänger auf dem Turnier lassen und ich musste nicht selbst zurück fahren.
Es war schon 10 als wir endlich alle Pferde aufgeräumt hatten und ich war fertig wie Schnitzel. Nach einem 17 Stunden Tag mit nicht wirklich Pause in der Hitze auch kein Wunder. Trotzdem konnte ich nicht schlafen, weil mein Sonnenbrand weh tat und ich mich fühlte als brannte ich innerlich.
Dummerweise gings am nächsten Tag sogar noch ein bisschen früher los und das Aufstehen war für mich fast unmöglich. Ich dachte, dass ich auf der Fahrt noch ein wenig dösen könnte aber immer wenn mir die Augen zufielen, fing Andrew an zu reden. Normalerweise redet er nie während der Fahrt. Man hat richtig gemerkt, dass er nicht wollte, dass ich schlafe.
Es war zwar wieder sehr heiß, aber angenehmer als am Freitag. Ich wusste nun wie alles abläuft und es war ein bisschen weniger stressig als am Vortag. Trotzdem hatte ich viel zu tun und wieder absolut keine Zeit was zu Essen zu kaufen. Diesmal war es eine andere nette Einstellerin die mir Reissalat kaufte. Ich finde es irgendwie schade, dass sich Einsteller um das Wohl der Pfleger kümmern müssen und meine Chefs mich nicht mal was kaufen lassen. Diesmal hatten sie wenigstens eine Kühltruhe und Wasser dabei und ich hatte was zu trinken. Zwei Pferde musste ich an den Springplatz bringen und ein anderes mitnehmen und so sah ich wenigstens das erste mal den Turnierplatz. Dieser ist sehr groß und wunderschön gestaltet. Es gab sogar eine VIP-Area. Wie auf dem letzten Turnier gab es 3 Ringe (Plätze), wo verschiedenen Prüfungen ausgetragen wurden.
An diesem Samstag kamen die Kinder von einer Einstellerin die auch ritt mit. Die 5 und 8 jährigen Mädels sind total goldig und ich war Babysitter. Sie wollten mir helfen und ich ließ sie einiges machen. Die Familie hatte eine ganze Lunchbox mit Eistee, Crackern, Käse und Trauben dabei, wo ich mich netterweise auch bedienen durfte. Das war wie Weihnachten.
Nur weil ich wusste, dass sowieso nichts mehr zu tun war und weil ich kurz „entkommen“ wollte, fragte ich ganz zum Schluss als Jenny alles putzte, ob ich mir endlich was zu Essen kaufe dürfe. Sie log und sagte die Verkaufsstände sind schon zu. Ich wusste, dass das nicht stimmt. Irgendwann rief sie meinen Chef an der noch dort war und fragte, ob er mir was mit bringen konnte. Eine halbe Stunde später kam er mit einen Reissalat (haha). Ich müsse jedes Reiskorn aufessen, so mein Chef. Warum? „Weil die 10$ total übertrieben für einen „fucking“ Salat sind und wenn ich das immer für die Pfleger zahlen muss, bin ich bald arm“, sagte er mir. Naja, dachte ich. Wenn dein guter Pfleger der sich das ganze Wochenende den Hintern aufreißt dir keine 10$ Wert sind und den Einstellern schon, dann tust du mir leid. Außerdem hatte er total viel gewonnen und somit auch ordentlich Preisgeld abgestaubt.
Ich musste wieder den Hänger mit dem Auto zurück auf den Hof ziehen. Jenny machte mir große Hoffnung, als sie meinte, dass ich evtl. schon früher fahren kann, da ich eh nichts mehr helfen könne. Leider war das nicht so und ich musste doch warten, bis sie mit allem fertig war. Das dauert immer eeewig. Sie putzt noch an Ort und Stelle das Sattelzeug und die Gamaschen für alle 9 Pferde, bandagiert alle sorgfältig ein, räumt alles perfekt auf und lässt sich viel Zeit. Auch mein Chef drängelt immer und findet das ebenfalls nicht so gut.
Dieses Mal ging es mit dem Hänger schon viel besser und ohne Probleme. Ein Känguru hüpfte direkt vor mir über die Straße.
Wir waren zum Glück ein bisschen früher zurück als am Vortrag und nach dem Essen war ich wieder fix und fertig.
Genau so früh wie am Samstag mussten wir auch am Sonntag raus und ich hatte überhaupt keine Lust oder Energie für den letzten Turniertag. Aylin wollte eigentlich mit, aber sie hat keinen Hängerführerschein und Jenny meinte, dass ich ja schon alles weiß und sie mit Aylin somit „nicht viel anfangen könne“. Ein Pony das wieder zurück zu seinen Besitzern geht die auch auf dem Turnier waren, musste ich aufs Turnier fahren und das klappte sehr gut. An einer Ampel in Windsor fuhr Andrew bei dunkel-orange drüber. Jenny dahinter bei rot. Gut, dass wenigstens ich wartete, weil es blitzte und diese Aktion Jenny somit 400$ Strafe kostete. Sie war wenigstens so nett und wartete auf mich ein paar Meter weiter.
Gerade auf dem Turnierplatz angekommen, wurde ich noch vor allen Kunden ordentlich zusammen geschrien. Aylin und ich hatten die Pferde in den Anhänger geladen und wussten nicht, dass man dort die Fenster aufmachen muss. In Deutschland sind die Hänger nämlich komplett anders und man muss kein Fenster aufmachen. Ein Pferd hatte deswegen geschwitzt. Mein Chef brüllte los, ob ich denn zu doof wäre die Fenster auf zu machen und nicht sehen würde wie nass das Pferd ist. Ich erklärte, dass wir Zuhause komplett andere Anhänger haben und man bei uns die Fenster nicht auf macht. Das stimme nicht, er wäre auch schon sehr oft in Europa gewesen. Ich solle mein Gehirn einschalten, usw. Die Kunden meinte ich solle das nicht persönlich nehmen. Bereits bevor das Turnier begann, hatte ich deswegen sehr schlechte Laune. Ernsthaft überlegte ich mir ein Taxi zur Farm zu nehmen. Das Geld hätte ich gern investiert um die allein dastehen zu lassen.
Hinzu kam auch noch, dass es regnete und sehr kalt war. Erst beide Tage weit über 30 Grad und dann sowas ! Es war nicht schön und ich konnte nicht mal vor dem Regen flüchten. Zum Glück war Sonntag der ruhigste Tag und es blieb sogar Zeit kurz heimlich abzuhauen und mir was zu Essen zu kaufen. Zwar nur ein Eis, aber immerhin Essen. Zwar musste ich mich an diesem Sonntag um 10 Pferde allein kümmern, aber jedes hatte nur eine Prüfung und diese waren alle relativ weit auseinander.
Die nette Einstellerin die mir am Freitag schon das Eis gekauft hatte, brachte mir extra vegetarische Brötchen von Zuhause mit und ich fand das total nett und hab mich wahnsinnig gefreut.
Direkt nebenan war ein sehr großes Poloturnier und viele Pferde standen auf den Koppeln neben unserem LKW. Ich wollte dort mal rüber schauen, als meine Chefs gerade mit einem Pferd zum Abreiteplatz gingen. Ich kam auf dem Weg mit einer Kundin von meinen Chefs ins Gespräch. Diese hat einen deutschen Mann und ihn beim ihrer Backpacking-Reise durch Deutschland kennen gelernt. Sie ist super nett und 2 ihrer Kinder reiten und haben Pferde bei uns auf der Farm. Wir quatschten über alles mögliche, bis mein Chef hinter mir stand. Ich solle ihnen das Pferd abnehmen, mit dem sie zurück kamen. Leider wurde das mit dem Polo dann den ganzen Tag nichts mehr und ich fand es total schade. Ich hatte überhaupt nichts gesehen und auch vom Reitturnier nicht viel mitbekommen, weil ich ja immer nur auf dem Parkplatz war.
Zum Glück haben mir aber die nette Einstellerin Sarah und ihre 2 Mädels Käsepommes vom Polo mitgebracht und ich hatte wieder Essen.
Als wir nach dem Turnier alles zusammen packten, waren meine Chefs auf einmal sehr nett, redeten mit mir und machten Späße. Die Kunden hatten ihre beiden Ponys und den Anhänger mit genommen und so musste ich nur mit dem Auto zurück fahren. Andrew meinte ich solle warten mit los fahren, weil ich mich sonst verfahre. Zuvor war Jenny schon eine ganze Stunde weg gewesen, weil sie offizielle Turnierfotografin ist und noch Bilder machen musste. In der Zeit hatte ich alles sauber geputzt und eingefettet. Ich wollte als sie zurück waren nicht mehr warten und alles war erledigt. Auch die Pferde standen schon im LKW. So fuhr ich als beide wieder irgendwo hin gingen los und dank GoogleMaps fand ich auch meinen Weg. Ohne das, wäre ich verloren gewesen, weil der Weg selbst nach dem 3. Tag immer noch total kompliziert ist. Durch Wohngebiete und über Felder und ohne Beschilderung.
Beide Chefs hatten nach diesem erfolgreichen Turnier aller beste Laune. Bis wir wieder am Hof waren. Sie beschwerten sich, dass die Pferde zu wenig Heu hätten (Aylin hatte ja gefüttert) und Andrew fuhr wild mit dem Quad rum und verteilte an alle Extraheu.
Zum Schluss war aber wieder alles gut und Jenny bedankte sich das erste Mal überhaupt bei mir, sagte, dass das ja alles super geklappt hätte auf dem Turnier und dass wir morgen den Tag frei hätten, anstelle vom Sonntag. Da waren wir beide froh.
Wieder schlief ich ganz schnell und schnitzelfertig ein.
Turniergrüße
Nadine
Die Pferde chillen
Springplatz
ausversehen Selfie
Sonnenaufgang
früh gehts los